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In vielen Gesprächen mit Leuten, die neue Technologien ins Business bringen sowie Leuten, die in angestammten Geschäften Entscheidungen fällen, höre ich oft, dass die Disruption in Märkten den bestehenden Playern das Business wegnehme. Das tönt so einfach. Ist es aber nicht.
(Lesedauer: 4 Minuten)
Wenn wir Branchen, welche in letzter Zeit durch neue Player unter Druck geraten sind, genauer ansehen, merkt man, dass der rasche Umbruch oft verschiedene Ursachen hat. Ich unterscheide zwischen einen echten, technologisch getriebenen Umbruch und dem so genannten Alibi-Umbruch.
Der Alibi-Umbruch ist der weitaus verbreiterte Vorgang aus meiner Sicht. Er entsteht, weil bestehende konventionelle Player eine Gangart der Sättigung betreiben. Das heißt, sie treiben die Weiterentwicklung ihres Geschäfts behäbig voran. Ganz einfach darum, weil es den Unternehmen gut geht und sie darum nachlässig werden. Neue Player auf dem Markt sehen darin eine Chance. Eine Chance, um schneller am Markt zu sein, besser und günstiger zu produzieren und – was oft am einfachsten ist – schneller und besser mit dem Kunden umzugehen.
Man tut einfach etwas, was im Markt allgemeine Praxis ist, besser, günstiger oder schneller. Das ist für die etablierten Firmen bedrohlich, aber eigentlich in der Sache gesehen keine große Herausforderung. Die große Herausforderung dieser Unternehmen ist, ihre Komfortzone zu verlassen. Oft aber fehlt die Unternehmenskultur, sich so bewegen zu können.
Ein gutes Beispiel für Alibi-Disruption ist E-Commerce. E-Commerce ist am Ende des Tages immer noch Handel, Vermittlung und Kommission. Der Grund warum wir sehr erfolgreiche neue Online-Anbieter sehen, ist der, dass die althergebrachten Player die Entwicklung verschlafen und zu spät reagiert haben. Der Umbruch ist zu weiten Teilen diesem Umstand geschuldet.
Charakteristisch für solche Umbrüche ist, dass der Markt per se bestehen bleibt, sich aber beispielsweise die Kanäle ändern.
Echter Umbruch hingegen ist dem Umstand geschuldet, dass ein neuer (oder bestehender) Anbieter mit Hilfe einer neuen Technologie die Regeln des bestehenden Geschäfts komplett ändern kann. Der angestammte Markt verschwindet typischerweise ganz und das Problem, welches der Markt für die Kunden bislang löste, wird nun auf ganz andere Weise gelöst.
Ein gutes Beispiel dafür könnte zum Beispiel der Markt für individuelle Mobilität werden. Während die Elektromobilität im Sinne eines Alibi-Umbruchs einfach eine Technologie gegen eine andere austauscht, verschwindet der Markt für Personenwagen aller Voraussicht nach durch die Technologie des autonomen Fahrens beinahe komplett. Ein weiteres gutes Beispiel ist die Musikindustrie. Mit der Einführung der legalen digitalen Musik haben sich nicht nur die Vertriebskanäle verändert – sondern der gesamte Markt und die Art wie Musik konsumiert wird.
Nun geht oft das eine mit dem anderen einher, was die Situation für die bestehenden Anbieter viel schwieriger macht. Ich denke es ist aber auf jeden Fall sehr ratsam, bei Marktveränderungen ganz genau zu analysieren, was der Treiber dieser Veränderung ist. Einem Alibi-Umbruch beizukommen ist meiner Meinung nach viel einfacher als mit Technologie-induzierten Umbrüchen umzugehen.
Denn sind die Spielregeln in einem Markt erstmal geändert, ist es sehr schwierig in kurzer Zeit die neuen Spielregeln zu lernen. Je größer die Unternehmung ist, desto schwieriger wird es, diese Herausforderungen zu meistern. Schwierig an dieser Situation ist, dass man für die sich entwickelnden Szenarien überhaupt keine Vorbereitung oder Pläne hat.
Umso wichtiger ist es, das Unternehmen in stabilen und erfolgreichen Zeiten auf Wendigkeit, Innnovation und Effizienz zu trimmen. Dies ist schlussendlich die allerbeste Versicherung, um auch in Zukunft in der ersten Reihe mitspielen zu können.