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Insights / Blog / Business

IT Daily: Der Blick über den Branchen-Tellerrand: So lassen sich digitale Geschäftsmodelle adaptieren

07. Januar 2020

Auf die Frage, ob das Internet Fluch oder Segen sei, antwortete Journalist und Blogger Sascha Lobo kürzlich in einem Interview, dass man das Netz nicht in „gut“ oder „schlecht“ einordnen könne. „Man kann auch das Analoge kaum mehr vom Digitalen trennen“, fügte er hinzu.

Digitale Geschäftsmodelle sind nicht mehr lediglich eine Option unter mehreren für Unternehmen, sie sind überlebenswichtig und für nachhaltigen wirtschaftlichen Erfolg essenziell geworden. Dies trifft sowohl auf den B2B-Bereich für Geschäftskunden als auch auf den B2C-Bereich für Endkunden zu, erklärt Steven Bailey in seinem Beitrag bei IT-Daily.

B2B und B2C: Ähnlichkeiten und Differenzen

Auf den ersten Blick sind Geschäftsmodelle für B2B und B2C grundverschieden. Konsument:innen kaufen zwar genau wie Geschäftskund:innen auch Produkte und Dienstleistungen ein. Aber wie Unternehmen mit ihren Endkund:innen kommunizieren, ist anders als mit Geschäftskund:innen. Die B2C-Zielgruppe ist größer, die Ansprache oft undifferenziert – Kommunikation und Verkaufsangebot erfolgt häufig mit der „Gießkanne“.

Bei der Kommunikation im Unternehmensbereich sind die Zielgruppen kleiner. Unternehmen fokussieren meist auf wenige oder sogar nur eine Branche. Das Wichtigste: Bei B2B ist das Ziel, langfristige und vertrauensvolle Beziehungen aufzubauen. User-Journeys in diesem Bereich sind meist komplex, mit zahlreichen Usern, die in den jeweiligen Prozess involviert sind. Darüber hinaus haben Geschäftsbeziehungen häufig nicht nur den Verkauf zum Zweck; oft geht es um den Austausch beziehungsweise das Hinzufügen oder die Konsolidierung von Daten (Produkt-, Kunden- oder Geschäftsdaten etc.).

„Shop is Dead – Long live the Shop“ oder besser, Omnichannel als Schlüssel zum nachhaltigen digitalen Geschäftsmodell

Was hat das alles mit der Aussage von Sascha Lobo zu tun? Die einfache Antwort darauf lautet „Omnichannel“. Wenn man von digitalen Geschäftsmodellen spricht und dabei Omnichannel, Multi-Merchant-Marktplätze meint, werden sämtliche Funktionen, die ein digitales Geschäftsmodell benötigt, auf einer Plattform abgebildet. Im Gegensatz zu Multichannel können Kund:innen bei einem Omnichannel-Ansatz nahtlos von einem Kanal zum anderen wechseln, ohne dass es maßgebliche Veränderungen in der Customer Experience gibt. Beim Multichannel-Modell werden Transaktionen generell in einem Kanal abgeschlossen – obwohl dafür mehrere Kanäle zur Verfügung stünden. Der Kunde kann folglich den Kanal zwar wechseln, aber die Customer Experience ist dann eine andere. So kann es zum Beispiel sein, dass das Angebot wechselt oder Produktinfos unterschiedlich sind. Daher ist es notwendig, konsistent alle Daten, Preise, Services, Lieferzeiten, Payment-Optionen, Kund:innendaten etc. für beliebig viele „Touchpoints“ verfügbar zu machen – egal, zu welcher Zeit oder an welchem Ort, siehe folgendes Schaubild:

Damit die Marktplatz-Commerce-Plattform das kann, müssen folgende Funktionen und Technologien berücksichtigt werden:

Um ihre Geschäftsmodelle zu digitalisieren, müssen Unternehmen drei wichtige Fragen beantworten:

  1. Welche zusätzlichen Services erzeugen Mehrwert für Kund:innen und zusätzlichen Umsatz für das Unternehmen? Unternehmen sollte dabei den Blick darauf werfen, welche Daten und Informationen neue User Journeys und innovative Geschäftsmodelle erschließen.
  2. Wer im Unternehmen hat das „Können“, nicht nur Wissen und Titel, um die erste Frage erfolgreich umzusetzen?
  3. Welche „Early Adopter“ gibt es im Kundensegment des Unternehmens? Mit diesen Early Adopters sollten Unternehmen zuerst starten.

Richtig eingesetzt, kann ein Omnichannel-Geschäftsmodell als Business-Enabler fungieren. Omnichannel erschließt neue Umsatzströme, verbessert die Kommunikation mit Kunden und Geschäftspartnern gleichermaßen und ist ideal dafür geeignet, digitale Geschäftsmodelle zu adaptieren.

Unternehmen aus allen Branchen können von digitalen Geschäftsmodellen profitieren

Maßgeschneiderte digitale Geschäftsmodelle werden über alle Branchen hinweg zunehmend an Bedeutung gewinnen. Zwar gibt es keine einzige „One Size fits all“-Digital-Lösung, die für jedes Unternehmen und in jeder Branche gleich gut funktioniert. Out-of-the-Box-Optionen gibt es sehr viele, aber, da die Anforderungen in jeder digitalen Transformation andere sind, ist auch die optimale Lösung zwangsläufig immer eine andere.

Trotzdem gibt es zahlreiche Bedingungen, die erfüllt werden müssen und Touchpoints entlang der Customer Journey, die bei den digitalen Plattformen aller Branchen gleich oder zumindest ähnlich sind. Letztendlich dienen diese Plattformen dem Verkauf von Waren oder Dienstleistungen, der Kommunikation sowie dem Austausch von Informationen beziehungsweise Daten. Insofern besteht die Pflicht jeder digitalen Lösung aus Technologien wie einer Search Engine, Payment und Fulfillment, Produktinformations- und Warehouse-Management und vielen weiteren Systemen. Die Kür umfasst alles, was nicht zwingend notwendig ist, aber die Business-Prozesse abbildet, die vom Klienten verlangt werden.

Wie weit die unterschiedlichen Branchen sind, hängt auch davon ab, wie schnell zukunftsweisende Unternehmen die wirtschaftlichen Trends und den zunehmenden Einfluss der Digitalisierung erkannt haben.

Dementsprechend ist die Entwicklung der digitalen Transformation in manchen Branchen weiter als in anderen. Wie weit dies im Einzelnen ist, hängt auch davon ab, wie stark die disruptiven Kräfte die jeweilige Branche schon verändert haben.

Digitale Transformation im Finanzbereich und in der Aviation-Branche

So kann beobachtet werden, dass die digitale Transformation im Finanzbereich bereits im vollen Gange ist. Folgendes Beispiel der Tochtergesellschaft einer deutschen Großbank zeigt, wie schnell und umfassend sich die Branche verändert. Das Unternehmen erschließt zurzeit neue Geschäftsfelder mit digitalen Finanzprodukten.

Das digitale Geschäftsmodell umfasst die automatisierte Angebotserstellung für mittelständische Geschäftskunden beim Leasing von Mobilien. Der Prozess wurde komplett digitalisiert, von der Anfrage, über die Lieferantenprüfung, die Erstellung der wichtigsten Konditionen bis zum unterschriftsreifen Vertrag. Durch die flexible, transparente Kalkulation
von Leasingkonditionen und Vertragslaufzeiten, basierend auf Art des Investitionsobjektes, Kund:innendaten und Vertragsbedingungen, erhält der Kunde sofort ein individuelles Angebot.

Durch das neue Verfahren können Angebote, die bislang manuell erstellt wurden, wesentlich schneller und effizienter bearbeitet und erstellt werden. Was früher Tage oder gar Wochen brauchte, kann jetzt innerhalb weniger Minuten fertiggestellt werden. Mit der Applikation beschreitet das Unternehmen neue Wege in der aktiven Kund:innenberatung sowie der Entwicklung weiterer digitaler Finanzprodukte.

Die Customer Journey bei einer globalen Airline

Ein weiteres Beispiel für die digitale Disruption ist die Travel-Retail-Branche. Hier wird die Digitalisierung genutzt, um neue Umsatzquellen für Flughäfen und/oder Airlines zu erschließen. Grund: Retail-Umsätze bei den Flughäfen und Fluggesellschaften sind trotz der weltweit kontinuierlich steigenden Zahl der Passagiere rückläufig. Gleichzeitig treffen Passagiere ihre Kaufentscheidung zunehmend bevor sie überhaupt am Flughafen ankommen oder in das Flugzeug einsteigen. Die Branchenriesen, die erkannt haben, dass sie ihr Business umstellen müssen, um neue Umsatzquellen zu erschließen und um konkurrenzfähig zu bleiben, reagieren und digitalisieren ihre Geschäftsmodelle.

Die veränderten Marktbedingungen führten bei einer globalen Airline dazu, ihr In-Flight-Angebot so zu erweitern, damit das Angebot den größten Impact außerhalb des Flugzeuges erzeugt. Hauptgrund hierfür: In-Flight-Angebote werden von den Passagieren nur noch sehr begrenzt angenommen – wenn überhaupt. Viele Airlines haben diesen Service ganz eingestellt, da er mehr Kosten verursacht als Umsätze erzeugt und gleichzeitig die Umwelt unnötig belastet; die meisten Waren müssen nach jedem Flug unverkauft umverpackt und weitergeflogen werden. Durch die Digitalisierung und Erweiterung des Angebotes bietet die Fluggesellschaft ihren Passagieren die Möglichkeit, Produkte vor ihrem Flug online zu bestellen (ab 60 Tagen bis 24 Stunden vorher) und diese dann nach Kundenwunsch auszuliefern (beispielsweise Home- oder In-Flight-Delivery). Viele bei der Airline beliebte Produkte, wie zum Beispiel Weinschränke oder regional hergestellte Möbel, sind keine herkömmlichen In-Flight-Produkte, die üblicherweise während des Flugs gekauft und dann mit nach Hause genommen werden. Diese meist größeren Artikel werden außerdem über den Webshop der Airline verkauft und dann von Dienstleistern per Drop Shipment an die Hausadresse geliefert.

Auf welchem Kanal beziehungsweise mit welchem Endgerät die Passagiere einkaufen, ist bei solchen Omnichannel-Modellen zweitrangig. Wichtig für die Airline: Sie erschließt neue nachhaltige Umsatzquellen, baut ihren Kund:innenstamm aus und erhöht gleichzeitig die Kundenbindung an bestehende Kund:innen. In Sinne eines Omnichannel-Ansatzes integriert die Airline kontinuierlich Drittanbieter in die Plattform. So können beispielsweise Passagiere, die ihren Flug online auf einem teilnehmenden Reiseportal buchen, gleichzeitig Produkte im Webshop erwerben. Diese Produkte werden automatisch angeboten und über die Plattform des Reiseportals ausgespielt.

Die ultimative Customer Journey besteht aus drei Elementen

Das oben genannte Airline-Beispiel veranschaulicht, welche Elemente benötigt werden, um eine zufriedenstellende Customer Journey zu ermöglichen. Jeder Kunde steuert entlang seiner Customer Journey viele Touchpoints an – sowohl analog als auch digital. Ein digitales, Omnichannel-Geschäftsmodell sorgt dafür, dass Online und Offline nahtlos miteinander verbunden sind. Welche Touchpoints dabei eine Rolle spielen, ändert sich bei jeder Journey und in jeder Branche und ist von zahlreichen Faktoren abhängig.

 

Was jedoch alle erfolgreichen Customer Journeys vereint, kann in drei Punkten beschrieben werden. Diese Customer Journeys verfügen über eine großartige Produktauswahl, großartige Produktdaten sowie großartige Dienstleistungen.

Omnichannel in anderen Branchen

Der Omnichannel-Ansatz, wie bereits oben veranschaulicht, ist problemlos auf andere Branchen übertragbar – egal ob B2C oder B2B. Insbesondere in den Branchen, die sowieso gerade einen Disruptionsprozess erfahren (Beispiel Automobilindustrie) drängt sich das Omnichannel-Modell auf, da es dem Endkunden die Vorteile der ständigen Erreichbarkeit des Angebotes (egal wann, von wo oder über welchen Kanal) bietet – und beispielsweise der Einkaufsprozess auf einem Kanal begonnen und nahtlos auf einem anderen Kanal fortgesetzt oder abgeschlossen werden kann.

Unternehmen, die ihr Geschäftsmodell so aufbauen, profitieren von Transparenz aller Daten und Abläufe sowie einer konsistenten Kommunikation mit ihren Kund:innen, Partner:innen und Zulieferern. Mit Omnichannel haben Unternehmen zum ersten Mal ein umfassendes Bild ihrer Kund:innen, etwas, das mit dem Begriff „Single Customer View“ umschrieben wird. Dadurch, dass alle Informationen über alle Kanäle hinweg digital verfügbar sind, können alle Beteiligten, die dazu berechtigt sind, an einer zentralen Stelle auf alle Daten über den Kunden zugreifen und diese auch für die Kommunikation mit dem Kunden nutzen. Diese Informationen werden bei einem solchen Modell automatisiert und in Echtzeit synchronisiert. Werden die Daten über eine moderne Omnichannel-Lösung ausgespielt, sind etwa auch Händler und Partner mit im Boot. Omnichannel ermöglicht darüber hinaus die nahtlose Integration aller Business-Prozesse wie Einkauf, Pricing, Dienstleistungen, Logistik / Fulfillment etc. – unabhängig von Kanal, Endgerät oder Standort. Diese Integration aller Stakeholder in einem Business-Prozess schafft Transparenz und Vertrauen, zwei Merkmale, die für erfolgreiche Geschäftsbeziehungen unerlässlich sind. Ohne diese Transparenz und ohne Vertrauen ist jedes digitale Geschäftsmodell zum Scheitern verurteilt.

Beispiel-Lösung für die Luftfahrtindustrie

Seit einigen Jahren bieten wir für Aviation und Travel Retail eine Lösung an, die wir OM³ nennen (Omnichannel Multi-Merchant Marketplace). OM³ ist ein digitaler Marktplatz für Händler, Produkte und Services. Die Lösung verbindet Händler und Kunden, Kommunikation und Vertrieb, Online und Offline, über alle Kanäle und Endgeräte. OM3 wird erfolgreich an internationalen Großflughäfen und bei Airlines eingesetzt.

Fazit

Was Unternehmen bei der Digitalisierung ihrer Businessmodelle oft vernachlässigen: Omnichannel ist mehr als „nur“ Technologie und Software. Die richtige Technologie / Plattform ist zwar notwendig, aber die digitale Transformation verändert auch analoge Geschäftsprozesse und die Firmenkultur. Eine Digitalisierung ohne eine grundlegende, begleitende Veränderung von Abläufen, Hierarchien und Kultur ist nicht möglich. Entscheidend für den Erfolg von digitalen Omnichannel-Lösungen ist daher eine offene Grundeinstellung im Unternehmen zu diesem Ansatz. Dieser offene Mindset ist Voraussetzung, damit Kunden in den Fokus der Bemühungen gerückt werden und das neue, digitale Geschäftsmodell alle Kanäle sinnvoll bedienen kann

Dieser Beitrag ist zuerst im Magazin IT-Daily erschienen. Wir freuen uns über Ihr Feedback und das Teilen des Artikels.

Originalbeitrag auf it-daily.net