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Krankenhäuser, Krankenkassen, Medizinprodukt- und Pharma-Hersteller buhlen um die Gunst potenzieller Kund:innen und Patient:innen. Bis vor kurzem noch als reine Marketing-Disziplin betrachtet, wird im Wettlauf um die Kund:innen das Digital Experience Management (DX oder DXM) ein erfolgskritischer Faktor.
Wer gestaltet die Customer Journey entlang sämtlicher Touchpoints am effizientesten? Wer schafft es, schnell und kompetent Kundenanfragen auf allen relevanten Kanälen zu beantworten? Wem gelingt es, sowohl Patient:innen als auch alle unterschiedlichen Leistungsträger in der Healthcare-Branche effizient und datenschutzkonform zu vernetzen?
Fest steht: Das deutsche Gesundheitswesen befindet sich im Umbruch. Wer als Teil der Branche weiterhin erfolgreich sein will, muss die enormen Potentiale, die sich aus einer „menschlich-zentrierten“ Digitalisierung ergeben, nutzen. Doch keine Panik. Es ist weder erforderlich, das eigene Geschäftsmodell hierfür radikal auf einen Schlag umzubauen noch muss man sich im Dschungel der Komplexität von kundenorientierten Prozessen, technologischen Möglichkeiten, der optimalen Organisation des Customer Service, den Schnittstellen zu anderen Systemen und Organisationen und vielem mehr bis ins Detail auskennen. Auch hier gilt einmal mehr: Think Big, Start Small, Move Fast. Schrittweise und planvoll Anpassungen vornehmen und dabei den Überblick behalten, hat sich als wesentlich erfolgversprechender erwiesen als der große Digitalisierungs-Big-Bang. Allerdings sollte man proaktiv vorgehen und die notwendigen Veränderungen möglichst rasch auf den Weg bringen. Nachfolgend haben wir für die Akteure im Gesundheitswesen vier Potenzialfelder identifiziert, um sie auf ihrem individuellen Weg zur digitalen People Journey zu unterstützen.
Jeder hat einmal irgendwo angefangen. Digital Experience Management hat seine Wurzeln im klassischen Marketing-Bereich. Um neue Ansätze, Methoden und Möglichkeiten zu entwickeln, werden Abläufe Ende-zu-Ende (end-to-end) durch die Brille des jeweiligen Users betrachtet entsprechend digital abgebildet. Ein wesentlicher Aspekt hierbei ist das geänderte Kommunikationsverhalten. Patient:innen wollen weder lange warten noch zigmal verbunden werden noch vorgeschrieben bekommen, wann über welchen Kanal oder über welches Device sie zu kommunizieren haben, sondern dies situativ entscheiden. Dabei gilt es zusätzlich, die hohen Anforderungen des Datenschutzes zu berücksichtigen.
Wenngleich dies auch auf den ersten Blick nicht trivial erscheint, über eine Omnichannel-Plattform mit „Patienten-zentriertem“ gestaltetem Frontend, die interoperabel und datenschutzkonform angelegt ist, ist eine Ansprache sämtlicher Zielgruppen realisierbar. Im Fokus der Entwicklung einer solchen digitalen Gesundheitsplattform steht zum einen die Datensammlung und -erfassung, um sich auf die Wertschöpfung für den Kunden zu konzentrieren, zum anderen ein umfassend durchdachtes Frontend mit einer sehr guten User Experience (UX). Der Kunde sollte sich zu jedem Zeitpunkt auf seiner digitalen Reise anwenderfreundlich mit sinnvollen, aktuellen Informationen abgeholt und im Prozess begleitet fühlen.
Ein gutes Beispiel aus der Praxis ist die ePA, die elektronische Patientenakte, welche durch den digitalen Austausch von gesundheitsbezogenen Informationen zwischen Patient:innen, Ärzt:innen, Fachärzt:innen und Apotheker:innen zu einer optimierten Gesundheitsversorgung beitragen soll. Besonders interessant wird es dann, wenn tatsächliche Mehrwertdienste im Zusammenhang mit der ePA angeboten werden. Ab Januar 2022 kommt beispielsweise das E-Rezept auf den Markt. Hierbei werden erstmalig alle am Prozess Beteiligten disziplinübergreifend angebunden, um zumindest perspektivisch einen echten Ende-zu-Ende-Prozess ohne Medienbruch zu ermöglichen. Sicher birgt die ePA im Sinne der UX noch viel ungenutztes Potenzial. Aber sie ist ein Anfang.
„Digitalisierung“ bedeutet für die Gesundheitsbranche mehr als nur Daten. Erst smarte Anschlüsse machen die im virtuellen Raum vorhandenen Informationen verfügbar. „Enhanced Connectivity“ steht deshalb nicht nur für den physikalischen Anschluss, sondern für eine Verbindung, die sowohl die Logik als auch die übergreifende, offene, sichere und digitale Kommunikation beinhaltet. Konkret wird hierfür das attraktiv gestaltete Frontend mit Hilfe von offenen Schnittstellen (APIs) an Backend-Systeme gekoppelt. Ziel ist ein digitales Ökosystem für alle Akteure, welches die Zusammenarbeit unterschiedlicher Systeme und Organisationen mit gemeinsamen Standards ermöglicht. Dabei wird ein reibungsloser Austausch, ein zentralisiertes Sammeln und Anreichern von Daten aus der und für die Patientenversorgung sowie eine Vernetzung der unterschiedlichen Partner (z. B. Patient:innen, Krankenkassen, Hersteller von Medizinprodukten, Kliniken, Pharma-Hersteller, Dienstleister:innen und Ärzt:innen) gewährleistet.
Seit Kurzem gibt es beispielsweise die ersten zugelassenen digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGAs), die Ärzt:innen verordnen können („App auf Rezept“). Die Zielgruppen sind vielfältig: Es gibt unter anderem eine Diabetes-App, eine für unter Adipositas leidende Menschen oder auch zahlreiche Apps im psychotherapeutischen Bereich. DiGAs sind vielseitig integrierbar und weithin vernetzt. So bekommt der behandelnde Arzt automatisch relevante Informationen über Gesundheitszustand und Behandlungsfortschritt des Patienten, auch sind Terminvereinbarungen über die Apps möglich. Gleichzeitig können Patient:innen auch auf Angebote von themenverwandten Drittanbietern zugreifen, wie beispielsweise Onlineshops von Medizingeräteherstellen von Blutzuckermessgeräten. Langfristiges Ziel: Eine 360-Grad-Sicht auf den Kunden zu erhalten und verschiedene beteiligte Parteien miteinander interagieren zu lassen – zum Wohle des Patienten und zur Arbeitserleichterung der involvierten Leistungsträger.
Wandlungsfähigkeit gilt als zentrales Element digitaler Strategien. Betreiber von digitalen Gesundheitsplattformen sollten daher bei der Implementierung darauf achten, dass die technologischen Plattformen flexibel und skalierbar bleiben. Die People Journey muss sich der jeweiligen Situation anpassen können. Deshalb geht der Trend in Richtung modularer Systeme, die individuell aus funktionalen Bausteinen zusammengesetzt werden. Man spricht hier auch von „composable” Architekturen, bei denen Daten und Services im Backend systematisch vom Frontend getrennt sind. Sämtliche Komponenten in einem solchen Netzwerk werden über APIs verbunden.
So fügen sich immer mehr Bausteine aneinander und man ist flexibel für alle wesentlichen externen Einflussfaktoren. Hierbei kann es sich um Änderungen in den allgemeinen Abläufen z. B. bei Klinikaufenthalten durch hereinkommende Notfälle, neue Erkenntnisse bei Wechselwirkungen von Medikamenten oder auch um sich ändernde globale Trends handeln, um nur einige Beispiele zu nennen.
Nach der Pflicht folgt stets die Kür: Mittels Prediction und Machine-Learning-Methoden werden nicht nur Arbeitsabläufe, sondern auch komplexe Diagnostik automatisiert und standardisiert. Systeme lernen im täglichen Einsatz, Prozessdurchläufe zu bewerten und Optimierungen vorzunehmen. Dies führt zu verbesserten Prozessen, die eine nachhaltige administrative Entlastung von Pflegekräften zur Folge haben. KI ist dabei die Schlüsseltechnologie für die Digitalisierung im Gesundheitswesen und ermöglicht es, die Gesundheitsversorgung zu transformieren, die Präzisionsmedizin zu erweitern und die Patientenerfahrung zu verbessern. So lassen sich mittels modernster bildgebender Technik und DNS Sequenzierverfahren heute Krankheiten früher und genauer diagnostizieren als je zuvor. Beispielsweise entwickelt das Hasso-Plattner-Institut bereits Modelle, um Krankheitsbilder in MRT Bildern und molekularen Daten zu erkennen und auf großen Datenmengen statistisch zu beschreiben.
Doch auch für Medizingerätehersteller birgt das Thema Prediction und Machine-Learning ungeahnte Möglichkeiten. Basierend auf Erfahrungswerten und von an Geräten angebrachten Sensoren gemessen, lassen sich genaue Voraussagen über den Verschleiß von einzelnen Bauteilen treffen und im Idealfall deren automatischen Austausch initiieren. Mittels modernster Technologie ermöglicht diese Predictive Maintenance das so genannte „Internet of Things” (IoT, auf deutsch: Internet der Dinge), welches physische und virtuelle Gegenstände global miteinander vernetzt.
Aktuell sind in Deutschland auf der einen Seite in Teilgebieten wie z. B. der Medizintechnik technologische Spitzenleistungen zu bewundern, auf der anderen Seite sind bislang aus Kunden- bzw. Patientensicht eher nur Stückwerk und angefangene, selten zu Ende gedachte, ganzheitlich digital konzipierte Lösungen zu sehen. Digital Experience Management im Gesundheitswesen wird auf lange Sicht mehr bieten müssen als nur eine elektronische Akte. Eines der größten Hindernisse für ein fantastisches Kundenerlebnis im Gesundheitswesen ist oft das Fehlen einer vollständigen Sicht auf den Kunden bzw. den jeweiligen User. Wer mit digitalen Gesundheitsplattformen begeistern will, sollte über diese Plattformen einen universellen Zugang zu allen gesundheitlichen Transaktionen und Interaktionen eines Patienten mit den unterschiedlichen Leistungsträgern abbilden können. Dazu müssen die Akteure im Gesundheitswesen ihre Dienstleistungen konvergieren und sich in Ökosystemen zusammenschließen bis hin zu einer branchenübergreifenden Zusammenarbeit mit beispielsweise Gesundheitstechnologieanbietern. Der Weg dorthin kann nur schrittweise und in Einklang mit den Datenschutzrichtlinien erfolgen, da medizinische Daten richtigerweise einem hohen Schutzniveau unterliegen. Und dabei nicht vergessen: Bei allem steht der Mensch im Mittelpunkt egal in welcher Rolle, ob Patient:innen, Pflegepersonal, Ärzt:innen, administratives Personal, oder andere). Auf ihn abgestimmt, sollten die digitalen Reisen so angenehm, einfach und effizient wie möglich gestaltet werden.