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Die Hiobsbotschaften für Unternehmen im Einzelhandel reißen nicht ab. Insolvenzanträge, Kurzarbeit, Entlassungen sowie die vielpublizierten Nachrichten von Branchenriesen wie Adidas, die sich weigern, ihre Mieten zu zahlen, sind nur einige Indizien für die Problematik, mit denen sich Einzelhändler konfrontiert sehen. Der Grund für das eigentliche Problem ist oft der gleiche: Die Branche funktioniert nach wie vor nach überholten Mustern, die auf „Footfall“ aufbauen – die einzelnen Geschäfte verlassen sich auf einen kontinuierlichen Kundenstrom. Dies trifft zwar nicht auf alle Händler (ob eigenständig oder Ketten) zu, aber auf viele – manche Experten würden sogar sagen, „auf die meisten Händler“.
Die zögerliche Umsetzung digitaler Geschäftsmodelle und E-Commerce-Plattformen rächt sich jetzt für die Unternehmen, die immer noch im 20. Jahrhundert stecken. Und dies besonders schnell und besonders hart. Profitiert haben bislang die Händler, die ganzheitliche digitale Lösungen und E-Commerce-Plattformen anbieten. Daran wird sich auch in einer post-Corona Zukunft nichts ändern; E-Commerce wird weiter an Bedeutung gewinnen, nachdem Geschäfte und Einkaufszentren schrittweise wieder öffnen.
Diese Verhaltensänderung ist jedoch schon länger im Gange. Belegt wird dies durch einige Zahlen vor der Corona-Krise:
Thomas Slide, Senior Retail Analyst bei Mintel, bringt es auf den Punkt: „Der Online-Einkauf hat in Deutschland inzwischen fast jede Bevölkerungsgruppe erreicht. Selbst Einzelhändler, die auf ältere Kunden abzielen, müssen die Wahrscheinlichkeit akzeptieren, dass sie zunehmend online einkaufen“. Abschließend sagt er, „In Deutschland ist ein Multiplattform-Ansatz für fast alle Einzelhandelsgeschäfte eine unerlässliche Investition für die Zukunft.”
Wohlgemerkt – vor COVID-19!
Natürlich ist dies – gerade jetzt – auch branchenabhängig, zumindest zum Teil: E-Commerce-Umsätze im Elektronik-Bereich sowie in der Mode sind rückläufig; bei Lebensmitteln zum Beispiel steigt der Umsatz.
Wir können jedoch erwarten, dass COVID-19 das Einkaufsverhalten der Konsumenten maßgeblich verändern – sowohl Online als auch im stationären Handel.
Wagen wir eine Prognose. Wenn wir von den oben genannten Prozentzahl (70 Prozent) der Deutschen, die E-Commerce nutzen, ausgehen, so betrug die absolute Zahl vor Corona rund 57 Millionen. Nehmen wir an, dass von den verbleibenden 25 Millionen rund die Hälfte jetzt E-Commerce nutzen werden, mehr oder minder häufig, so bietet dies ein enormes Potenzial für E-Commerce-Wachstum.
Gleichzeitig werden sich die Zahlen der Konsumenten, die in den Einkaufszentren und den Innenstädten einkaufen, auf absehbare Zeit nicht auf das Level erholen, das es vor Corona gab. Viele Menschen werden weniger häufig im stationären Handel einkaufen, manche gar nicht – mit Ausnahme von Lebensmitteln und Medikamenten. Konsumenten werden aus Vorsicht Orte meiden, wo viele Menschen sich ansammeln.
Ein solches Szenario kann man auch deswegen erwarten, weil die Einschränkungen im öffentlichen Leben noch sehr lange Bestand haben werden. Darüber hinaus sind die Innenstädte zurzeit weit weniger attraktiv, als vor der Corona-Krise (Stichwort: Gaststättenbetriebe und öffentliche Einrichtungen). Die Folge: der stationäre Einzelhandel wird weiter schrumpfen – ein Trend der, wie erwähnt, schon länger zu beobachten ist. Wenn wir nur zehn Prozent weniger Umsatz im stationären Einzelhandel voraussetzen, so bedeutet dies für E-Commerce ein potenzielles Wachstum von mehr als 50 Milliarden Euro jährlich.
Spätestens nach COVID-19 werden auch die Unternehmen, die sich dem Trend zu digitalen Geschäftsmodellen bislang widersetzt haben, umdenken müssen. Viele suchen bereits nach kreativen Lösungen, um neue Umsatzströme zu erzeugen – oder implementieren diese bereits.
Dabei müssen Unternehmen nicht weit schauen, um nachhaltige und sinnvolle neue Geschäftsmodelle zu entwickeln und umzusetzen. Durch die Entwicklungen im Einzelhandel und in der Gesellschaft werden Omnichannel-Modelle zur Normalität werden. Kunden werden verstärkt nach den Möglichkeiten selektieren, wie, wann und wo sie mit Händlern in Kontakt treten – und bei welchen Händlern sie einkaufen. Unternehmen, die ausschließlich auf stationäre Modelle setzen, werden auf der Strecke bleiben.