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Seit März 2020 ist nichts mehr, wie es einmal war. Die Gründe hierfür sind hinlänglich bekannt, was aber sind die Auswirkungen dieser Veränderungen? Steffen Kopmeier beleuchtet die Lage und leitet Handlungsempfehlungen für den Handel daraus ab.
Durch die Pandemie hat sich das Tagesgeschäft zahlreicher Unternehmen drastisch verändert. Massive Kontaktbeschränkungen haben sowohl den klassischen Büro- als auch den Schulalltag revolutioniert und sämtliche Institutionen zum Handeln gezwungen. Die schnelle Einführung von Homeoffice und Homeschooling ist dabei das Offensichtlichste und hat am Ende eine wichtige Erkenntnis in die Unternehmen gebracht: Veränderungen sind nicht schlimm.
Sie sind (teilweise) notwendig, brauchen allerdings Mut und etwas Druck, um erfolgreich umgesetzt werden zu können. In diesem Zusammenhang haben sich auch die Geschäftsmodelle, egal ob im B2B- oder B2C-Bereich, nachhaltig verändert. Anfangs wurde noch von einer Übergangszeit gesprochen und die Frage gestellt „wann kehren wir zur Normalität zurück?“. Inzwischen ist klar, dass es kein „Zurück“ mehr gibt, sondern vielmehr eine andere Normalität. Dafür haben sich viele Unternehmen neu aufgestellt und in kürzester Zeit Infrastruktur und Angebote geschaffen, um diesen Wandel mitzugehen.
Klassischerweise verfügen Handels-Unternehmen über die Rolle des CIOs (Chief Information Officer) und seit längerer Zeit auch über die des CMOs (Chief Marketing Officer). Die Verantwortung des CIOs über Technik und Daten steht oft in (scheinbarem) Widerspruch zu der des CMOs und den damit verbundenen diversen Kampagnen, beispielsweise den Umgang mit Kundendaten etc. Auch die Beschaffung und die eigentliche Nutzung von Software ist oft in diesen beiden Resorts unterteilt angesiedelt.
Das durch die Digitalisierung befeuerte Verlangen der Kunden nach einer einheitlichen „User Experience“ hat die beiden Rollen in den letzten Monaten näher zusammengebracht. In diese Zweierbeziehung tritt nun eine dritte Rolle ein: die des, oft neu geschaffenen, CCOs (Chief Commercial Officer). Der massive Ausbau von digitalen Angeboten und das schnelle Aufbauen von E-Commerce-Lösungen trägt heutzutage wesentlich zum Geschäft bei. Dabei gibt es erhebliche Berührungspunkte zwischen Marketing und Technik bzw. Informationssicherheit der Unternehmen. Leider erlebt man es oft, dass CCOs nur monatlich Reports über aktuelle Zahlen und Maßnahmen geben dürfen, während CMOs und CIOs sich wesentlich häufiger miteinander austauschen. Hier ist ein Umdenken erforderlich und, wie eingangs erwähnt, kein Hoffen auf Rückkehr zur Normalität.
Der schnelle Wandel lädt auch zum schnellen Handeln ein. Um den Absatz im E-Commerce zu fördern oder diesen Kanal überhaupt einmal zu testen, greift der Handel aktuell im ersten Schritt gerne zu Software-as-a-Service- (SaaS) Lösungen. Aus gutem Grund: Die einmaligen Aufwände sind gering und die laufenden Kosten durch Abo-Modelle klar umrissen und somit planbar.
Schaut man sich einmal Shopify an, eines der bekanntesten Unternehmen dieser Branche, so hat sich nicht nur der Börsenwert des Unternehmens im Laufe des letzten Jahres mehr als verdreifacht (+ 230 % per 23.12.2020). Auch die Nutzerstatistiken zeigen, dass etwa 50 % der neuen Kunden im letzten Jahr mit einer kostenlosen Testphase gestartet sind. Namhafte Firmen haben diesen Ansatz inzwischen zum Standard gemacht und neue Produkte oder Zielgruppen werden auf SaaS-Lösungen mit einem überschaubaren Zeithorizont getestet, bevor sie auf eine hausinterne Shop-Lösung, wie bspw. Adobe Magento, umgezogen werden.
Bei allen Veränderungen wird vor allem eines deutlich: Der bis dahin oft praktizierte „Big Bang“ hat ausgedient. Bis dato wurden zunächst alle Anforderungen gesammelt, geschärft und dokumentiert, Budget über mehrere Runden geplant, der passende Dienstleister ausgewählt und letztlich ein Projekt mit einer meist unrealistischen Zeitvorgabe erstellt. Das alles scheint nun plötzlich in deutlich weniger als 12 Monaten machbar zu sein. Natürlich hat das einen Preis: Um schnell mit einem neuen Angebot an den Markt gehen zu können, muss Komplexität reduziert und Einstiegshürden genommen werden.
Dies ist in den letzten Monaten eindrucksvoll geschehen. SaaS spielt dabei eine wesentliche Rolle, aber auch das häufig zitierte agile Vorgehen. Dabei geht es nicht etwa darum, Chaos beherrschbar zu machen. Vielmehr steht eine iterative Methodik im Mittelpunkt, die Probleme und Anforderungen in kurze Intervalle aufteilt und nach und nach bearbeitet. Dabei kann ein „Shop“ bereits nach wenigen Wochen Projektlaufzeit live sein, allerdings müssen Abstriche beim Styleguide oder der Anbindung an die eigene Warenwirtschaft hingenommen werden. Diese Funktionen werden in den nächsten Iterationen eingebaut. Der Vorteil an diesem Vorgehen: Es können rasch Produkte und Dienstleistungen verkauft und dabei wichtige Erkenntnisse über Nutzergewohnheiten gewonnen werden.
Hat sich ein Händler bereits vor der Pandemie im E-Commerce gut aufgestellt, ist es jetzt an der Zeit, einen genauen Blick auf die Nutzer:innen zu werfen. Eine Umfrage zu den Verbraucherpräferenzen von Adobe Magento macht es deutlich: Mehr als die Hälfte gibt an, dass die Pandemie ihre Erwartungen verändert hat. Nachhaltigkeit ist ein zentrales Thema, mit dem Kund:innen begeistert werden können. Demnach wünschen sich knapp 70 % der Nutzer:innen ein Engagement zur Nachhaltigkeit bei den Anbietern und etwa die Hälfte ist bereit, bei umweltbewussten Händlern mehr für Produkte zu bezahlen.
Nach wie vor auf hohem Niveau, aber auch befeuert durch die Vielzahl an neuen Shops, mit teilweise zweifelhafter Sicherheit, ist für 90 Prozent der Nutzer die Sicherheit ihrer Daten wichtig. Auch vor dem Hintergrund der DSGVO und der anhalten Diskussion zu Datenspeicherung durch sogenannte Cookies ist dies ein aktuelles Thema, bei dem Unternehmen durch Transparenz glänzen können.
Letztlich spielt noch das Thema Performance auf gleich mehreren Ebenen eine tragende Rolle. Zum einen ist die Ladegeschwindigkeit ein Faktor, der über 80 Prozent der Befragten wichtig ist. Dies ist auch für ein besseres Google-Ranking wichtig. Es geht aber auch konkret um Funktionen des Shops, wie bspw. die Suche und das Finden von Produkten oder Inspirationen.
Getreu dem Motto „Handel ist Wandel“ müssen veränderte Rahmenbedingungen auch einen Wandel nach sich ziehen. Langfristig wird – Pandemie hin oder her – nur der stationäre Händler erfolgreich sein, der auch online gut wahrnehmbar ist. Ob B2C oder B2B – Unternehmen sollten den momentanen Krisenmodus als Chance begreifen und die notwendigen, teilweise längst überfälligen Transformationsschritte initiieren oder den bisherigen Digitalisierungsprozess beschleunigen.
Dieser Artikel erschien zuerst auf "IT4Retailers". Wir freuen uns über Ihr Feedback und das Teilen des Artikels.