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Fälschlicherweise häufig nur als rein technische und infrastrukturelle Initiative gedacht, wirkt sich eine Transformation zur „Composable Enterprise“ faktisch auf das ganze Unternehmen aus. Vergessen wird, wie wichtig der Faktor Mensch für den Erfolg derartiger Digitalisierungsinitiativen ist. Nur wenn Mitarbeiter:innen die neuen Technologien aktiv unterstützen und nutzen, können diese ihre Vorteile voll ausspielen. Um die Akzeptanz sicherzustellen, braucht es ein frühzeitiges und konsequentes Change-Management auf dem Weg zu einer agilen Organisation, die Basis einer funktionierenden „Composable Enterprise“.
Im Jahr 2022 wird das Erscheinungsbild eines Unternehmens oder einer Marke mehr und mehr von der im Hintergrund genutzten Software geprägt. Sie ist nicht nur entscheidend dafür, wie sich das Unternehmen in der Öffentlichkeit präsentiert, sie beeinflusst auch seine Fähigkeit, Marktdynamiken und das Verhalten von Kundengruppen treffsicher zu antizipieren und bestimmt seine Flexibilität, interne Prozesse und Angebotsstrukturen zeitnah daran ausrichten zu können.
Um sich in diesem Bereich zukunftsfähig aufzustellen, liegt in der Telekommunikationsindustrie aktuell die Unternehmenstransformation zur „Composable Enterprise“ im Trend. Dabei wird ein agiles Geschäftsmodell auf Basis eines flexiblen, cloud-basierten Architektur-Konzepts abgebildet, das Bestandssysteme einbezieht. Transportiert man dies in die Realität, wird schnell klar, dass „Composable Business“ nicht nur einen grundlegenden Wandel in der Architektur und der Technologie erfordert, vielmehr auch im Denken von Führungskräften und Mitarbeiter:innen.
„Wenn du ein Schiff bauen willst, dann trommle nicht Männer zusammen, Holz zu beschaffen, Aufgaben zu vergeben und die Arbeit einzuteilen, sondern lehre sie die Sehnsucht nach dem weiten, endlosen Meer.“, lautet ein bekanntes Projektmanagement-Zitat, welches hier passgenau zutrifft. Damit Mitarbeiter:innen auf die digitale Reise mitgehen, müssen sie von Anfang an ein grundlegendes Verständnis für die eigenen Geschäftsziele entwickeln. Gelingen kann dies mittels frühzeitiger Change-Begleitung, welche die Vorteile des „Composable Business“ für das Unternehmen und somit in der Folge auch für jeden Einzelnen transparent und erlebbar macht.
Darüber hinaus müssen motivierende Anreize für die Mitarbeitenden geschaffen werden. Ein Weg ist, sie zu befähigen, anstehende Veränderungsprozesse aktiv mitzugestalten und zu verantworten – weg von Mikro-Management hin zu mehr Improvisation, Kreativität und Intrapreneurship. Flexibilität, Lernen und Teamgeist stehen an dieser Stelle im Vordergrund, nicht die Angst vor Fehlentscheidungen.
Jack Lang, französischer Sozialdemokrat, sagte 1981 über Jean Monnet, einen der Wegbereiter der Europäischen Einigung: „Wenn er nochmals mit dem Aufbau Europas beginnen könnte, dann würde er mit der Kultur anfangen.“ Alle Menschen in einem Unternehmen sind in ein kulturelles Umfeld eingebettet. Dies kann sie entweder zu neuen Dingen motivieren und befähigen oder aber bremsen. Ohne eine positive und begünstigende Unternehmenskultur wird ein Wandel nur schwer gelingen. Wichtig hierbei ist die klare Definition unternehmerischer Werte. Da Kultur von oben nach unten wächst, muss der Geist eines solchen Wandels im Management beginnen, und dort konsequent gelebt werden. Werte wie Respekt, Offenheit, Kollaboration und Vertrauen den Mitarbeitenden gegenüber sind ein wesentlicher Baustein für die Umsetzung einer „Composable Enterprise“.
Das Management muss, speziell auch im sich schnell verändernden Telekommunikations-Markt, für neue Ideen offen sein, selbst wenn diese scheinbar im Widerspruch zu der aktuellen Geschäftsstrategie stehen. Unternehmen für die nächsten 20 Jahre fit für den Markt zu machen, ist nicht nur das Ziel der strategischen Unternehmensführung, sondern von allen Mitarbeitenden. Die Mitarbeiter:innen bei den Veränderungsprozessen mitzunehmen und nicht diese einfach zu delegieren, ist Hauptaufgabe des Change-Managements. Ein Unternehmen, das diese Disziplinen meistert und in der Lage ist, sich produktiv zu hinterfragen, ohne sich auf Lorbeeren auszuruhen, wird mittel- und langfristig im Wettbewerb erfolgreich sein.
Nach der Erkenntnis, dass Digitalisierungsinitiativen komplexe, soziotechnische Systeme sind, die es zu begleiten gilt, gibt es noch weitere Stolpersteine, die hinterfragt werden müssen. Beispielsweise, ob es sinnvoll ist, alle Unternehmensbereiche sofort bis ins letzte Detail zu transformieren. Was also tun? Frei nach dem Motto “versuche nicht, den Ozean zu kochen”, sollte man zu Beginn bei dem Prozess ansetzen, der zum aktuellen Zeitpunkt am meisten Kopfzerbrechen bereitet. Das macht neue Ressourcen frei für den nächsten Transformations-Schritt. Für die „Composable Enterprise“ würde dies in der Praxis bedeuten, erst einmal Richtlinien für eine Zielarchitektur festzulegen und den Umbau dann in verdaulichen Schritten entlang dieser Leitplanken synchron zu dem agilen Wandel des Unternehmens durchzuführen. Dabei befeuert die erfolgreiche Transformation eines einzelnen Bereiches die Motivation für die Umstellung weiterer Unternehmenseinheiten.
Strategisch zählt es an dieser Stelle, den Fokus auf eine ganzheitliche digitale Transformation nicht zu verlieren. Das „große Ganze“ im Blick zu behalten steht dabei nicht im Widerspruch zu einer schrittweisen Vorgehensweise. Für alle Bereiche und Aktivitäten bedeutet dies: Sie müssen letztlich auf ein Gesamtziel einzahlen. So lässt sich einfacher priorisieren, welche Maßnahmen wirklich wichtig und welche durch mangelnde Eingliederung ins Gesamtkonzept langfristig ineffektiv sind.
Ein gutes Praxisbeispiel für eine „Composable Enterprise“ findet sich bei dem Mobilfunkanbieter congstar. Um aktuellen Anforderungen besser zu begegnen, wurde zum einen die Architektur der E-Commerce- und Vertriebslösung umgestellt, nämlich vom Monolithen auf eine komplexe, Microservices-basierte Enterprise-Anwendung und zum anderen auch die Organisation und Struktur der Entwicklungsteams, welche inzwischen funktionsübergreifend vollständig agil arbeiten, neu definiert.
Mitarbeiter:innen langfristig zu motivieren, im eigenen Unternehmen zum Micro-Entrepreneur zu werden, ist nicht trivial. Denkbar wäre die Einrichtung eines „Thinktank-Tools“ im Intranet, wo Ideen jederzeit eingereicht werden können oder auch die Organisation eines unternehmensinternen Innovationswettbewerbs, der neben öffentlicher Anerkennung auch Anreize in Form von Prämien oder Freizeit verspricht, wenn die Innovation zur Umsetzung kommt. In solchen Innovationswettbewerben zeigt sich meist, dass das Potenzial einer Gruppe dem Erfindergeist des Einzelnen überlegen ist. Nicht zufällig entstehen die meisten Innovationen durch Kombinationen von Ideen. Telekommunikationsanbieter erhöhen so signifikant die eigene Innovationskraft.
Anreiz in Form einer Betriebsprämie kann ein auf Unternehmenskennzahlen basierendes Belohnungssystem sein, welches viele Vorteile mit sich bringt – sowohl für Arbeitgeber als auch für die Mitarbeitenden. Durch die Berücksichtigung von Kosten und Erlösen ist das Modell flexibel anpassbar. Unternehmen zeigen ihre Wertschätzung für die eigenen Mitarbeitenden, indem sie direkt am Erfolg beteiligt werden. Dadurch steigt im Umkehrschluss die Motivation, das Unternehmensergebnis positiv zu beeinflussen.
Über den „Hygienefaktor“ Geld hinaus, gibt noch weitere Möglichkeiten, die Zufriedenheit und Motivation der Mitarbeiter:innen zu steigern. Beispielsweise schlagen sich regelmäßige Weiterbildungen in den meisten Fällen in einem größeren Maß an Loyalität und Produktivität nieder. Dabei sollte der Fokus idealerweise auf Konzepten, Methoden oder Pattern liegen, nicht auf Framework oder Programmiersprachen, da diese ohnehin in ständigem, raschem Wandel begriffen lebenslanges Lernen erfordern. Damit Entwickler:innen „composable“ arbeiten können, gilt es, ihnen zu vermitteln, was eine durchdachte Architektur ausmacht. In welcher Sprache diese dann letztendlich programmiert wird, ist zweitrangig.
Auf dem Weg zur „Composable Enterprise“ erfolgreich zu sein, erfordert neben der technischen Neuausrichtung ein Reset des kompletten Mindsets eines Unternehmens. Mitarbeitende und Führungskräfte müssen Bewährtes verabschieden, bereit sein, Neues zu lernen und sich mit der Digitalisierungsinitiative identifizieren. Dabei ist es wichtig, dass alle Veränderungsschritte von der strategischen Planung über die Entwicklung der Unternehmenskultur bis hin zur operativen Arbeit partizipativ und agil gestaltet werden. Nur so sind Erfolgserlebnisse, alternativ in Form von aktivem Mitgestalten, Anerkennung, persönliche Weiterentwicklung oder monetär, für jeden Mitarbeitenden möglich. Gut beraten ist auch, wer in sinnvollen Etappen vorgeht und bereit ist, jeden einzelnen Schritt im Nachgang zu reflektieren, um zu gewährleisten, dass man nach wie vor auf die vorab gesteckten Ziele hinarbeitet.
Grundlage all dieser Veränderungen bildet ein professionelles Change-Management, das zu einer agilen Unternehmung hinführt. Jedoch fehlen hierfür oft das notwendige Know-how und freie Ressourcen in den Telekommunikationsunternehmen. Diesen Engpass können externe Berater schließen. Einer der größten Vorteile ist deren neutrale Betrachtung interner Prozesse, ohne Voreingenommenheit und Kenntnis der Unternehmenshistorie. Change-Management frühzeitig und strukturiert in Projekte einzubinden, unterstützt, neben der inhaltlichen Zielerreichung, den begleitenden organisatorischen Wandel. Ergebnis ist eine motivierte, agil denkende Belegschaft, die sowohl für zukünftige Herausforderungen als auch für weitere Digitalisierungsprojekte bestens gerüstet ist.