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Am 30. Juni 2017 fand die (Un)Konferenz bei AOE in Wiesbaden statt, bei der viele aktive Teilnehmer der Agile Usergroup Rhein-Main teilnahmen. Das Thema lautetete „Wer ist Treiber der Organisationsentwicklung in selbstgeführten Organisationen“. Nach einer kurzen Begrüßungsrunde stellten vier eingeladene Unternehmen den über 50 Teilnehmern ihr jeweiliges Modell für die Organisationsentwicklung in spannenden Impulsvorträgen vor. Zum Abschluss der (Un)konferenz meldete sich noch ein Teilnehmer, um mit einem Spontan-Impuls die Veranstaltung abzurunden.
Im ersten Beitrag erklärte Robert Gies seine Erfahrungen bei Shopgate. Im Shopgate-Team wurden in einem Workshop Persönlichkeitsprofile von Mitarbeitern aufgestellt, um herauszufinden, was die Mitarbeiter besonders gut können. Ziel sei, dass jeder Mitarbeiter in dem Bereich arbeiten solle, in dem er seine Stärken sieht. "Mitarbeiter kennen oft mehr ihre Schwächen als ihre Stärken" war eine Erkenntnis von Robert. Auf Basis dessen wurden Strukturen und Positionen im Team geändert, z.B. wurden aus Entwicklern Scrum Master oder Product Owner. Wichtig sei dabei, dass die Einordnung in Positionen gehaltsunabhängig und nicht von oben diktiert wird, führte Robert aus.
Paul Herwarth von Seibert Media beschrieb im zweiten Beitrag die Organisationsentwicklung bei Seibert Media, die durch das Agile Org-Team getrieben wird. Die Organisationsentwicklung geht zurück auf das Jahr 2010, als bei einer Betriebsgröße von rund 50 Mitarbeitern und einer traditionellen Organisationspyramide inkl. einiger Bereichsleiter das erste Pilotprojekt mit agilen Methoden umgesetzt wurde. Dieses Pilotprojekt hat bei Seibert zu einem Umdenken geführt: „Zum ersten Mal haben wir gespürt, was Zusammenarbeit wirklich bedeutet, und dieses Empfinden trägt das Team heute noch bei der Weiterentwicklung der Organisation“ sagte Paul. Als Folge wurden Projekte von der bestehenden Fachstruktur mit einem oder wenigen Projekt-Ansprechpartnern hin zu einer Teamstruktur umgestaltet, bei der alle Projektteilnehmer an Prozessen und Entscheidungen teilhaben konnten. Bei diesem Umgestaltungsprozess wurden die organisatorische Ebene der Bereichsleiter überflüssig und abgeschafft, wobei die Bereichsleiter explizit in die Entscheidungsfindung der Umstrukturierung einbezogen waren.
Stattdessen wurde das Pfirsich-Modell nach Niels Pfläging eingeführt: „Der das Unternehmen repräsentierende Pfirsich soll wohlschmeckend für den Markt sein. Der Kern, bestehend aus Geschäftsführung und Personen mit organisatorisch-administrativen Aufgaben, hält das Team bzw. die verschiedenen Entwickler-Teams zusammen, die eigenständig in ihren Projekten arbeiten und entscheiden können.“ Seit 2012 werden auch Scrum-Elemente wie Planning, User Stories, feste Iterationen und Reviews für die Organisationsentwicklung eingesetzt, was zu viel Abstimmung-Aufwand, aber auch einem hohen Commitment der Mitarbeiter führe. Mitarbeiter können sich je nach Interessenslage aufkommenden Themen zuordnen und diese im Team während ihrer Slacktime bearbeiten. Als Beispiel nannte Paul das Thema „begrenzte Parktickets“, die nicht für alle Seibert-Mitarbeiter bereitgestellt werden könnten. Zur Lösungsfindung konnte sich jeder einbringen, die Umsetzung erfolgte erst, als ein Konsens mit allen Mitarbeitern erzielt wurde.
Im dritten Beitrag erklärte Philipp die Organisationsentwicklung bei Sipgate: Dort gibt es alle 2 Wochen einen Open Friday, bei dem sich Arbeitsgruppen zu verschiedenen Themen treffen und diese konkret bearbeiten. Bei allen aufkommenden Themen sei die Unternehmensführung gesprächsbereit, „alleine die Anwendung agiler Methoden sei nicht verhandelbar“ sagte Philipp. Interessant war auch sein Einblick in die Teamfindung bei Sipgate: So würden bei Sipgate keine Teams vorgegeben, sondern Projekte mit einer Anzahl und Funktion von Mitarbeitern definiert. Wer welchem Projekt beitritt und welche Funktion übernimmt sei dem Team überlassen. Die Lösungsfindung sei teilweise etwas langwierig, es lohnt aber den Aufwand, war sich Philipp sicher.
Um den langen (Un)Konferenz Tag aufzulockern, machte Joern Bock von AOE eine Führung durch die Büroräume von AOE und stellte dabei das Büro mit all seinen agilen Elementen vor. Anschließend konnten die Teilnehmer sich beim BBQ auf der AOE Terrasse stärken und die ersten Präsentationen Revue passieren lassen.
Nach dem Essen ging es mit weiteren Impulsen bzw. Modellen weiter. Sudan von Rewe-Digital referierte über die Organisationsentwicklung im Rewe-Konzern. In einem Konzern sei Selbstorganisation nur bedingt möglich und ist bestimmten Limitierungen ausgesetzt, insbesondere bei einem großen Wachstum des Teams auf über 500 Mitarbeiter pro Organisationseinheit, meinte Sudan. Im Fall von Rewe gäbe es mehrere Vorgaben vom Personalmanagement, inklusive klarer Zuordnung von Verantwortungsbereichen und Kompetenzen. Nichtsdestotrotz werde auch bei Rewe-Digital das Thema Selbstorganisation weiterverfolgt. So wurden beispielsweise Personalmannager, die sogenannten „People Dude’s“ eingeführt, die den Mitarbeitern Hilfestellungen an die Hand geben und die Organisationsentwicklung vorantreiben. Zudem erfolge die Team-Skalierung über die Aufteilung des Teams in mehrere kleine Organisationseinheiten. Ein Ziel von Rewe-Digital sei daher der Aufbau von Standorten mit bis zu 40 Mitarbeitern, um eine höhere Dynamik und Effizienz in die Teams zu bekommen.
Tobias referierte von seiner Arbeit beim Innovations-Lab der Deutschen Bahn, dem Sky Deck in Frankfurt. Dabei gab er einige persönliche Insights aus seiner Arbeitswelt.
Die fünf Vortrage, die jeweils rund eine Stunde dauerten, gaben allen Teilnehmern so manchen Impuls für die eigene Arbeit mit auf den Weg. Die wichtigste Erkenntnis zum Abschluss des (Un)Konferenz-Tages aber lautete: