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„Ich habe jeden Tag eine Art Agile Coach Camp“, sagt Ilja Preuß von it-agile. Ihm zufolge ist dies eines der vielen Gründe, warum er gerne bei dem Hamburger Unternehmen arbeitet. Es gab auf dem Juni-Treffen der Agile Usergroup Rhein-Main aber nicht nur Positives zu berichten. Im Laufe der Diskussion zum Thema „Schmerzen einer selbstorganisierten Firma“ beschrieb Preuß die Pain Points eines agilen Unternehmens aus seiner Sicht und erläuterte weitere subjektive Eindrücke bezüglich des Aufbaus von Unternehmen nach demokratischen Gesichtspunkten – und was andere Firmen aus den Erfahrungen von it-agile lernen können.
Preuß zufolge gibt es drei Themenkomplexe, mit denen it-agile zurzeit besonders ringt:
Das Unternehmen, gegründet 2005, ist eines der stetig wachsenden Zahl von deutschen Unternehmen, die sich und ihre Arbeitsabläufe nach agilen Prinzipien organisieren und strukturieren. Dies bringt auch das Selbstverständnis von it-agile auf eine einfache Formel – auf die Frage, wie sich die Firma selbst charakterisieren würde, antwortete Preuß „Agil“. Gleichzeitig beschreibt der Begriff aber auch die Kernkompetenz von rund 30 Mitarbeitern und Beratern.
Besonders das Thema „Entscheidungen“ sorgte bei den Teilnehmern des Usergroup-Treffens für eine angeregte Diskussion.
So ist zum Beispiel eines der Techniken, die bei it-agile eingesetzt wird, die „Konsultative Einzelentscheidung“. Wird unter den Mitarbeitern bei einer offenen Frage kein rascher Konsens erzielt oder Kompromiss gefunden, so kann diese Form der Entscheidungsfindung zur Lösung beitragen. Bei der konsultativen Einzelentscheidung wird ein Mitarbeiter gewählt, der verschiedene Mitarbeiter und bei Bedarf auch externe Experten konsultiert – und die Entscheidung dann allen mitteilt und den Kollegen und Kolleginnen gegenüber auch begründet. Die Entscheidung ist bindend, ein Veto nicht möglich. Dies stelle allerdings kein Problem dar, sagt Preuß. „Es gab noch nie einen Boykott.“ Entscheidungen würden immer mitgetragen, auch wenn der eine oder andere Mitarbeiter anderer Meinung wäre. Hierbei ist „Vergebung“ gegenüber dem Entscheider von Bedeutung; nach Ansicht von Preuß musste sie im Unternehmen viel geübt werden. Interessant sei weiter, dass der Entscheider seinen Auftrag noch ändern dürfe, um eine Entscheidung treffen zu können.
Oft sei eine Entscheidung dieser Art auch notwendig, um Konflikte zu lösen. „Konflikte wird es immer geben“, sagt Preuß. Auch in einem agilen, demokratischen Unternehmen. Oder, um es mit dem Titel eines Buches von Thomas Robrecht zu sagen: „Organisation ist Konflikt“.
Auch gibt es seit rund einem halben Jahr bei it-agile zwei externe Mediatoren, die die Mitarbeiter bei der Konfliktlösung unterstützen, wenn interne Mechanismen nicht ausreichen. In jedem Fall werden aber bei it-agile Konflikte anders gelöst, als bei traditionellen Firmen, sagt Preuß. So würde bei einem herkömmlichen Unternehmen meist der Chef bei Konflikten involviert. In seinem Unternehmen sei dies anders, so Preuß: „Bei uns muss der Konflikt mit dem betreffenden Kollegen ausgetragen werden.“ Dies sei schwer und manchmal frustrierend.
Bei it-agile sind die festangestellten Mitarbeiter gleichzeitig auch Gesellschafter – das heißt, jeder Mitarbeiter ist auch Chef seines Chefs. Diese Struktur ergibt viele Freiheiten, zieht aber auch eine große Verantwortung für jeden Einzelnen nach sich. Warum also bei it-agile arbeiten? Für viele Mitarbeiter sei das selbstbestimmte Arbeiten ein wichtiger Motivationsfaktor, sagt Preuß. Für ihn persönlich sei es unter anderem der regelmäßige Austausch mit Kollegen und Kolleginnen. „Mir macht es Spaß. Ich habe jeden Tag eine Art Agile Coach Camp.“
Aber auch Preuß musste sich am Anfang mit der für ihn neuen Unternehmenskultur auseinandersetzen. Gefragt, was ihn am meisten bei it-agile überrascht hat, antwortete er: „Wie wenig Paradies es ist. Es ist zum Teil sehr anstrengend.“ Anfänglich dachte er auch, dass sich das Unternehmen ändern müsste, damit er glücklich wird. Bis er realisierte, dass er bereits glücklich war.
Zwei Dinge, die Preuß anderen Unternehmen, die sich ähnlich strukturieren wollen, mit auf den Weg gibt: „Experimentieren und nicht im Eigenen Saft schmoren.“ Zu ersten sagt er ergänzend, dass Unternehmen Veränderungen in kleinen, kontinuierlichen Schritten vollziehen sollten. Zum zweiten meint er, dass man sich, wenn nötig, Hilfe von außen holen soll.
Jedes Unternehmen muss für sich selbst entscheiden und, noch viel wichtiger, ausprobieren, wie agil es sein will und welche Mechanismen, Werte und Prozesse funktionieren – und welche nicht. Eines jedoch ist sicher: Mit der Unterstützung von Experten wie die von it-agile geht die Umstellung auf ein agiles Unternehmen sicherlich etwas einfacher von der Hand und hat damit auch größere Aussichten auf Erfolg. it-agile ist ein wegweisendes Beispiel dafür, wie die Philosophie eines wirklich demokratischen, agilen Unternehmens durch Mut, Energie, Kreativität und Innovation mit Leben gefüllt werden kann.
Interessiert Sie das Thema weiter? Dann klicken Sie bitte hier und unterstützen Sie das Buch-Vorhaben von Ilja Preuß.