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Agile Organisationen zeichnen sich dadurch aus, dass Wertschöpfung durch kleine, voneinander möglichst unabhängige Teams gewonnen wird. Schließlich sind kleine Teams deutlich besser darin, sich an eine ständig wechselnde Umwelt anzupassen. Dieses „responding to change“ ist für die namensgebende Agilität verantwortlich – und für den strategischen Wettbewerbsvorteil, den sich Agile Unternehmen hiervon versprechen.
Damit kleine Teams aber möglich sind, müssen sie Cross-funktional aufgestellt sein. Das bedeutet, dass ein solches Team in der Lage sein sollte, alle Aufgaben unabhängig von Personen und Ressourcen zu erledigen, auch wenn diese Ressourcen z. B. nicht Teil des Teams sind. Ein Teammitglied innerhalb eines agilen Teams verfügt deswegen idealerweise über ein „T-Shaped-Profil“.
T-Shaped People haben Fähigkeiten, die bildhaft dem Buchstaben „T“ entsprechen: Sie verfügen über ein sehr breites Wissen in vielen relevanten Feldern sowie Expertenwissen in einem bestimmten Bereich, in dem sie sich spezialisiert haben.
In einem Team, das aus T-Shaped People besteht, können Aufgaben auch dann erledigt werden, wenn ein Experte ausfallen sollte (beispielsweise durch Krankheit oder Versetzung), da alle anderen Teammitglieder ebenfalls über Know-how in jenem Feld verfügen.
Darüber hinaus lassen sich so Engpässe („Bottlenecks“) vermeiden, da Aufgaben aus einem Bereich nicht an einzelnen Personen hängenbleiben und so die Durchlaufzeit erhöhen.
Die Frage ist jetzt aber: Wie findet man als Organisation Mitarbeiter mit solchen Profilen?
Ein erster Schritt: Man stellt nur T-Shaped-Fachkräfte ein.
So einfach ist das aber nicht. Zum einen muss das Wissen, das ein Mitarbeiter mitbringen sollte, nicht nur breit sondern auch noch relevant sein. Eine Person zu finden, die also genau das abdeckt, was ein einzelnes Team benötigt, ist daher nahezu unmöglich. Darüber hinaus ändern sich Technologien und Anforderungen, sodass breites Wissen in einem bestimmten Bereich morgen wieder absolut irrelevant für ein neues unternehmerisches Vorhaben sein kann. Im Projektgeschäft passiert häufig das schon alleine dadurch, dass ein Projekt endet und ein neues beginnt.
Ziel im Recruiting-Prozess muss also sein, diejenigen Kandidaten zu identifizieren, die schnell Lernen und auf Veränderungen reagieren können. Agile People also.
Agile People sind in der Lage ihr „T“ schnell breiter werden zu lassen – und wenn es darauf ankommt auch schnell ein zweites Bein aufzubauen.
Nun können Mitarbeiter zwar das Potenzial zum schnellen Lernen mitbringen. Um das zu nutzen, müssen Unternehmen Lernen aber auch aktiv fördern.
Traditionelle Unternehmensstrukturen kennen hierzu klassische Downstream-Lösungen: Eine Abteilung „Mitarbeiterentwicklung“, die dafür verantwortlich ist, dass Mitarbeiter Fähigkeiten entwickeln, die sie innerhalb eines definierten Karrierepfades benötigen. Obendrein ist oft auch die Führungskraft für die Entwicklung ihrer Mitarbeiter innerhalb des aktuellen Stellenprofils verantwortlich.
Diese Lösungen klingen nicht agil – und sie würden in einem Agilen Unternehmen ohne hierarchische Struktur auch gar nicht funktionieren. Wie also können Agile Unternehmen hier vorgehen?
Zunächst einmal kommen jedem Mitarbeiter eines Agilen Unternehmens Führungsaufgaben zu – Stichwort Servant Leadership. Deswegen ist jeder für seine eigene Fortbildung verantwortlich – wie auch für die seiner Kollegen.
Aber auch in klassischen Organisationen fordern sehr aktive Mitarbeiter die eigene Förderung ein. Wie aber können Agile Organisationen dies zusätzlich aktiv unterstützen? Und wie machen wir das bei AOE?
Die wichtigste Rolle bei der Mitarbeiterentwicklung spielt wohl die Kultur. Wir haben bei AOE eine stark ausgeprägte Kultur der gegenseitigen Förderung. Das fängt damit an, dass jedem neuen Mitarbeiter ein Mentor an die Hand gegeben wird, der dabei helfen soll, sich so schnell wie möglich in das Unternehmen zu integrieren, um seinen Job optimal ausüben zu können.
Darüber hinaus helfen wir uns auch einfach gerne gegenseitig, weil Aufgaben als Team erledigt werden und nicht in einer Konkurrenzstimmung untereinander. Das geht mittels Pair Programming oder einfach: Kommunizieren. Ein agiles Grundkredo.
Ein weiterer Aspekt unserer Unternehmenskultur, der massiv zum Lernen beiträgt, ist das Konzept der „Slack Time“ – also Zeit, die sich ein Mitarbeiter nimmt, um an Themen zu arbeiten, die nichts mit dem aktuellen Projekt zu tun haben. Es ist nicht ungewöhnlich, dass Mitarbeiter an kleineren „Nebenprojekten“ arbeiten, um z. B. einfach mal eine neue Technologie auszuprobieren. Aktuelles Beispiel aus meinem Team: Ein Team-Dashboard, das aktuelle Teaminfos anzeigt, als React- und node.js-Applikation. Oder: Ein 3D-Werbevideo, um weitere Mitspieler für unseren Minecraftserver innerhalb des Unternehmens zu gewinnen. Ja, auch dabei wird gelernt.
Neben all diesen Faktoren, die in den Alltag integriert sind, braucht es manchmal aber auch Input von außen – sei es durch Fortbildungen oder Konferenzen.
Hierfür steht jedem Mitarbeiter ein Fortbildungsbudget zur Verfügung, das er nach freiem, eigenem Ermessen einsetzen kann.
So ist sichergestellt, dass jeder, der etwas über ein Thema lernen möchte, die Möglichkeit dazu bekommt – auch wenn gerade kein Experte im Unternehmen zur Hand ist, der den Mitarbeiter hierbei unterstützen könnte.
Zusätzlich zu externen Konferenzen haben wir bei unserem letzten Open Friday auch eine interne AOE-Konferenz eingeführt, bei der Wissen auch zwischen Teams und Funktionen ausgetauscht werden soll. Mal sehen, wie das läuft.
Auch die beste Konferenz ist aber sicher nicht in der Lage, praktische Arbeitserfahrung zu ersetzen. Die lässt sich aber schwer sammeln, wenn man langfristig an ein Projekt gebunden ist.
Um das zu lösen, haben wir das Job Chicken eingeführt. Dabei kann ein Mitarbeiter für ein bis fünf Tage bei einem anderen Team mitwirken, um den Stack des jeweiligen Teams kennenzulernen und sich mit anderen Kollegen auszutauschen.
In der Praxis kommt die Methode seltener zum Einsatz, als es möglich wäre. Wir arbeiten allerdings alle daran, mehr Kollegen zum Job Chicken zu motivieren.
Insgesamt tut AOE also sehr viel dafür, dass Neues schnell im Unternehmen ankommt und Verbreitung findet. Das ist auch richtig, es wäre schließlich naiv zu denken, dass allein das agile Abwickeln von Projekten zu einer lernenden Organisation führen würde.
Zentral ist es also, eine Agile Organisation mit Menschen zu befüllen, die lernen wollen – und ihnen so viele Gelegenheiten zum Lernen zu bieten, wie möglich. Denn „responding to change“ geht nur dann, wenn man weiß, was man tut.