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Insights / Blog / Agilität & Organisation

Softwareunternehmen: Projekt- oder Produktgeschäft? Vor- und Nachteile der beiden Geschäftsmodelle

28. Juni 2017

Ich weiß gar nicht, wie viele Male ich in den letzten Jahren die Frage gestellt bekommen habe, was man als Softwarefirma denn tun müsse, um weg vom Projektgeschäft zu kommen und sein Geschäftsmodell auf ein Produkt umzustellen. Offenbar ist das ein Thema, das viele Softwarehäuser umtreibt.

Unternehmen kennen die Risiken des produktbasierten Geschäftsmodells nicht

Ich habe es mir zur Angewohnheit gemacht, jeweils erstmal nachzufragen, warum denn so ein Geschäftsmodellwechsel erstrebenswert erscheine. Die meisten Unternehmen antworteten, dass das Projektgeschäft einfach zu mühsam sei, zu viel Druck darin herrsche und auch die Erträge nicht stimmten.

Für jene Unternehmen ist das produktbasierte Geschäftsmodell erstmal Heilsbringer in einer Situation, die viele projektbasierte Softwarefirmen kennen. Und ich behaupte, das ist reichlich kurzsichtig, denn das produktbasierte Geschäftsmodell bringt ganz andere Herausforderungen mit sich, welche sich die erwähnten Unternehmen gar nicht bewusst sind.

Marketing & Business Development ist erheblicher Kostenfaktor – aber gleichzeitig unumgänglich für die Umstellung

Das Projektgeschäft hat den großen Vorteil, dass die Verkaufsaufwände relativ klein sind. Vor allem können sie (sollten aber nicht) unstrukturiert erfolgen. Die riesige Nachfrage der letzten Jahre nach internetfähiger Software hat dazu geführt, dass es meist reicht, gut vernetzt zu sein und ordentliche Qualität abzuliefern. Dann hat man als Firma in der Regel genug Arbeit.

Im Produkt-Businessmodell ist zwar Qualität auch enorm wichtig, ein gutes Netzwerk reicht aber erstmal, um die notwendige Zahl an Kunden zu gewinnen. Vielmehr muss man ein Offering schaffen, welches sich von der Konkurrenz abhebt und es auch entsprechend kommunizieren. Das bedingt relativ hohe Aufwendungen in Marketing und Business Development. Vor allem muss man die notwendige Kompetenz auch im Hause haben.

Man wird also nicht einfach weiter eine reine Entwickler-getriebene Firma sein können. Sondern man entwickelt sich zu einem großen Teil in eine Firma, die sich auch mit sehr kommerziellen Themen auseinandersetzen muss.

Branchenerfahrung entscheidend für den Erfolg

Ich habe ein paar Unternehmen gesehen, die sozusagen auf der grünen Wiese mit einem neuen Produkt begannen und dabei bislang keine Erfahrung in dem Bereich hatten. Alle diese Versuche gingen schief und die Unternehmen mussten wieder zum Projektgeschäft zurückkehren.

Ich glaube seither stark daran, dass man bereits in einer Branche für welche man ein Softwareprodukt lanciert, viel Erfahrung haben muss. Das tönt offensichtlich. Allerdings ist es im Doing aber doch nicht so klar.

Wenn man als Softwareunternehmen also beispielsweise für die Maschinenindustrie schon viele Projekte gemacht hat, weiß man in der Regel relativ gut, wo die Herausforderungen und Probleme bestehen. Lassen sich rund um diese Herausforderungen und Probleme neue Softwarelösungen realisieren welche es auf dem Markt noch nicht gibt, stehen die Chancen gut, dass das Produkt Erfolg hat. Es bedient sozusagen ein natürliches Bedürfnis – von Leuten, welche sich auf natürliche Weise Knowledge in einer Vertikalen erarbeitet haben.

TAM, SAM, SOM – Wo fängt der Kulturwandel an?

Typischerweise wird bei der Evaluation von neuen Softwareprodukten auch viel zu wenig Marktabklärung betrieben. Die Einschätzungen zum Markt sind vielfach zu optimistisch. Und oft fehlt auch schlicht das Know-how zu Markteinschätzung und rudimentärer Marktforschung (Desk Research – siehe auch TAM, SAM, SOM). Das ist besonders tragisch, weil so Zeit und Geld in etwas investiert wird, dass schlicht und einfach keine Basis hat.

Die wohl größte Änderung jedoch kommt meiner Meinung nach aber durch den allgemeinen Kulturwandel, welcher ein eigenes Produkt mitbringt. Während bei Projekten der Kunde Roadmap, Timing und Kostenrahmen vorgibt oder zumindest erheblich mitgestaltet, sind Entwickler bei der Erarbeitung eines Produktes auf sich selbst gestellt. Ich habe oft beobachtet, dass das dazu führt, dass Prioritäten nicht optimal gesetzt wurden. Beliebt ist zum Beispiel die Perfektionierung einer eher technischen Gegebenheit ohne zu prüfen, ob das so intensivierte Feature auch genügend Business-Value bietet.

Alles in allem denke ich, ist diese Transition aus dem Projektgeschäft hin zu einem Produktegeschäft doch sehr schwierig. Ganz allgemein gelingt sie gut, wenn in einem Unternehmen verschiedene Skills und Qualitäten, vornehmlich im Bereich Entwicklung, Marketing und Sales, vorhanden sind.